Souveränität und Demokratie

Von Werner Hörtner · · 1999/11

Ist Interventionismus in Fällen massiver Menschenrechtsverletzungen legitim, und wie weit darf die

Kosovo, Türkei, Pinochet, Osttimor – einige Schlagworte aus der jüngsten Geschichte, die ein Thema umreißen, das derzeit im Mittelpunkt der weltpolitischen Diskussion steht: der neue Interventionismus in Sachen Menschenrechte. Sie umreißen auch den Horizont, in dem sich diese Diskussion bewegt. Im einen Fall bewaffnete Intervention zur Vermeidung von Genozid und Massenvertreibung, im anderen Fall stillschweigende Duldung der Vernichtungspolitik gegen die KurdInnen; ein Diktator, der auch außerhalb seines Landes strafrechtlich verfolgt wird, und im indonesischen Inselarchipel die tragischen Versäumnisse der internationalen Staatengemeinschaft, die den Völkermord begünstigten.

UN-Generalsekretär Kofi Annan hat die Diskussion um das Interventionsrecht in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen kürzlich angeheizt, in dem er sich vor den Vereinten Nationen klar dafür aussprach, und Bill Clinton meinte vor demselben Forum, „wir“ könnten in Zukunft terroristischen Mißbrauch staatlicher Macht nicht mehr hinnehmen. Ein neues, gelobtes Zeitalter scheint anzubrechen, in dem die Moral die Weltpolitik bestimmt, in dem Diktatoren international verfemt und verfolgt, schwere Völkerrechtsverletzungen durch Eingreiftruppen verhindert oder durch Dauerbombardements geahndet werden.

Die eingangs angeführten Schlagworte zeigen aber auch die Zweideutigkeit dieser Interventionspolitik auf. Wieso im einen Fall ja, im anderen nein? Welches Kalkül steckt hinter diesen Entscheidungen, welche Interessen bestimmen die Intervention „zum Schutz der Menschenrechte“? Hier ist Mißtrauen angebracht, und daher ist auch der Protest vieler Staaten verständlich, die auf die Unantastbarkeit der nationalen Souveränität verweisen – auch wenn bei nicht wenigen Regierungen die Befürchtung durchklingt, sie selbst könnten dann das Ziel dieser Interventionspolitik werden.

Nicht nur die Frage der Entscheidungsgewalt und -struktur des neuen Interventionismus scheint mir problematisch, sondern auch das Demokratieverständnis jener Staaten, die dieser Politik am meisten das Wort reden. Welche Regierung hat den Sturz Allendes tatkräftig gefördert, woher kam die Unterstützung für das Suharto-Regime? Oder Pakistan: Nach dem Militärputsch fordern nun alle die „Rückkehr zur Demokratie“. Ich kann mich aber an keinen internationalen Protest erinnern, als der nun geschaßte Premier Nawaz Sharif die demokratischen Institutionen des Landes aushöhlte, um möglichst viel Macht in seinen Händen zu konzentrieren, als er politische Gegner mit allen Mitteln ausschaltete …

Die Frage nach der Legitimität und den Grenzen von internationalen Interventionen zur „Wahrung der Demokratie und der Menschenrechte“ wird sicher noch lange die weltpolitische Diskussion bestimmen.

Wir freuen uns, Ihnen in dieser Nummer einen Themenschwerpunkt vorstellen zu dürfen, der die aktuelle Debatte im Bereich der Weltwirtschaft und des Welthandels bestimmt und wohl noch längere Zeit bestimmen wird: die Ende November in Seattle, USA, beginnende „Millenniumsrunde“ der Welthandelsorganisation WTO. Von dieser auf mehrere Jahre angesetzten Verhandlungsrunde, die mit einem WTO-Ministerratstreffen eingeleitet wird, sind entscheidende Weichenstellungen für die Entwicklung der Weltwirtschaft zu erwarten. Oder, auch das ist eine Möglichkeit, die Interessenskonflikte zwischen Nord und Süd, Europa und USA, Konzernen und Nationalstaaten sind derart unüberbrückbar, daß keine Einigung zustandekommt und das geplante Regelwerk zum Millenniumsflop wird.

P. S: In der Heftmitte finden Sie die Programmzeitschrift oneworld.print – ab dieser Ausgabe zum Herausnehmen. Das neueste Produkt der SÜDWIND-Agentur informiert Sie regelmäßig über Veranstaltungen in der entwicklungspolitischen Szene in ganz Österreich und beinhaltet einen benutzerfreundlichen Terminkalender.

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